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Strohstofffabrik

Emil Nacke wurde 1843 geboren, studierte 1869 am Polytechnikum in Dresden Maschinenbau. Als Ingenieur unternahm er einige Auslandsreisen,eignete sich Kenntnisse in Maschinen- und Lokomotivbau an. Er war in den Magdeburger Grusan-Werken tätig und errichtete in Hainsberg bei Freital die Thode’sche Papierfabrik. In Kötitz bei Coswig erwarb der Unternehmer eine Ackerfläche sowie ein Stück Kiefernwald zum Bau einer Zellstofffabrik, die er an der Nauendorfer Straße 1884 unter dem Namen "Strohstofffabrik Tännicht" gründete.

Ab 1885 wohnte Emil Nacke im Gelände der Fabrik. Erst später bezog er die Villa am Johannesberg. In ganz Deutschland gab es 1885 nur acht Firmen, die Strohzellstoff für Papier produzierten . Diese schlossen sich im gleichen Jahr zu den Vereinigten Strohstofffabriken zusammen. Ihr gehörten zum Beispiel die Strohstoff-Fabriken in Rheindürkheim, Dohna und Coswig an. Firmensitz dieses Verbundes war Kötitz. Gegenüber der Strohstofffabrik gründete Hermann Emil Nacke 1891 seine Maschinenfabrik, in der er Maschinen für die Zelluloseproduktion herstellte. Aber schon 1898 stieg er als Geschäftsführer aus der Aktien-Gesellschaft aus, da er mit der Gesellschaft im Streit lag. Er hatte sich verpflichtet, seine eigenen Maschinen nicht außerhalb der Gesellschaft zum Kauf anzubieten. Diese Verpflichtung hinderte ihn nun bei seiner eigenen Produktion in der Maschinenfabrik. Die gesamte Geschäftsleitung verlegte 1893 ihren Sitz von Dresden nach Kötitz. Emil Nacke selbst war bis 1898 als Gesellschafter tätig.

Für seine Arbeiter, die in der Vereinigten Strohstofffabrik und in der Maschinenfabrik von Emil Nacke arbeiteten, entwarf er selbst Wohnhäuser,die sogenannte „Arbeiterkolonie“. Der Baumeister dieser Siedlung ,die in Naundorf  errichtet wurde, war F.A.Bernhard Große. Die Errichtung der zweigeschossigen Häuser mit Walmdach fand bis 1914 statt. Es sind die unter Denkmalschutz stehenden Achtfamilien-Häuser Kötitzer Straße 125-127-129-131-133 und die Friedrich-List-Straße 8-10-12. Kurzzeitig gab es während des Ersten Weltkrieges einen Produktionsausfall im Werk Coswig. Ab 1916 produzierte die Strohstofffabrik Kötitz Holzzellstoff. Der Schornstein  mit einer Höhe von 90 Meter war Mitte der 20er Jahre einer der höchsten Fabrikschornsteine Deutschlands. Im Werk befanden sich Stallungen für die Pferde, die für den innerbetrieblichen Transport vom Elbkai bis in das Werk sorgten. Durch den günstigen Standort des Werkes bekam es 1908 einen eigenen Eisenbahnanschluss zum Transport der Rohstoffe. Hier kamen die Werksbahnen für den innerbetrieblichen Transport zum Einsatz.

Der Ausgang des Zweiten Weltkrieges führte zur Teilung Deutschlands und es entstanden aus der Zellstofffabrik Coswig zwei Folgefirmen. Während in Westdeutschland die“Rheinische Zellstoff AG“ weiter produzieren konnte (sie wurde 1963 aufgelöst), wurde das Kötitzer Werk durch die Russen demontiert. Erst 1946 lief im Werk des „VEB Zellstoffwerke Philipp Müller“ die Produktion langsam wieder an. Anfang der 50er Jahre stellte man im Werk die Produktion auf Holzzellstoff um. Das Werk investierte in eine Stapel- und Brückenkrananlage um die körperliche Arbeit zu erleichtern. Gleichzeitig förderte das Werk die gesellschaftliche Arbeit in der Stadt und gründete die "BSG Rotation Coswig,  Abteilung Kanu". Diese Sektion wurde vom Werk bis zur Betriebsschließung unterstützt. Auch eine eigene Kegelbahn in Werk sorgte für sportliche Betätigung. Weitere Investitionen unternahm der Betrieb bei der Gründung einer eigenen "Freiwilligen Betriebsfeuerwehr" und jeder alte Coswiger wird sich gerne  an das Betriebsblasorchester erinnern, das bei keiner größeren Veranstaltung in Coswig fehlen durfte. 1968 kam es zur Vereinigung mit den Vereinigten Zellstoffwerke Pirna. Der schwärzeste Tag für das Werk war im Jahr 1983, als eine Havarie am Laugenkessel, bei der ein Arbeiter starb, eine größere Reparatur notwendig machte. Für diese Zeit erhielt die Firma eine befristete Genehmigung zum Einleiten des belasteten Abwassers in die Elbe. Da sich am Zustand im Werk nichts änderte und die befristete Genehmigung laufend verlängert wurde, holten die politischen Ereignisse das Werk ein. Durch die Umweltaktivisten und Umweltbestimmungen der BRD durfte kein unbehandeltes Abwasser in die Flüsse gelangen, was am 1.Juni 1990 nach sieben Jahren Umweltverschmutzung die Schließung des Werkes bedeutete. Nach der Schließung erfolgte der Abriss einzelner Gebäude. Wenn wir uns heute an der Natur erfreuen und mit unserem Drahtesel auf dem Elberadweg radeln, sehen wir an der ehemaligen Strohstoff eine Halde. Viele Fahrradtouristen werden sich fragen, was das ist. Sind das Altlasten aus der DDR? Nein, es sind, so ernst die Sache auch ist, "Neulasten". Lasten aus BRD-Tagen. Hoffen wir alle für die Stadt und  die Umwelt, dass nicht noch mehr Sondermüll unter dem Erdreich lagert. Das Gelände von 24 Hektar wurde im Mai 2009 von den Stadträten als Bebauungsplan Nr.35 ausgewiesen und wartet nun auf seine Bebauung.

 

 

 

 

 














Wir danken Heinz Ziel für das historische Foto